Im Zentrum der aufgeführten Veränderungen in der Produkt- und Prozesswelt steht Product Lifecycle Management als Skelett eines durchgängigen digitalisierten Produktlebenszyklus (PLZ), das über alle Disziplinen, über verteilte Standorte sowie über die gesamte Zulieferkette die Basis für ein digitales Produkt-, Produktions- und Prozessmodell bildet. Als durchgängiges Rückgrat wird ein auf PLM basierender Engineering Backbone die Rolle der Daten- und Prozessintegration zwischen der Produkt- und Produktionsentwicklung, der Produktion/Fertigung und Montage sowie dem Service einnehmen. Die Komplexität heutiger PLM-Architekturen und Einführungsstrategien ist bereits sehr hoch und die zu erwartende weitere Zunahme durch cybertronische Produkt- und Produktionssysteme wird diesen Trend verstärken. Die Nachvollziehbarkeit und Rekonfigurierbarkeit nach ISO 9001 über den gesamten Produktlebenszyklus, über die Disziplinen und die Lieferkette muss jederzeit gewährleistet sein, um den Engineering Prozess zu beherrschen und zu dokumentieren. Im diametralen Gegensatz zu diesen visionären Zielen steht der aktuelle Einführungsstand in der Deutschen Industrie. Die Automobilindustrie ist sicher ein Vorreiter bei der Implementierung und hat viele Technologietrends mitgeprägt. Aber auch hier sind die bisher implementierten PLM Projekte weit entfernt von obiger Zielsetzung. Heutige PLM Implementierungen sind häufig auf Grund deutscher Übergründlichkeit total übercustomisiert (siehe Abbildung). Dies bedeutet eine hohe Anfangsinvestition, aber weitaus kostenintensiver ist das permanente Nachziehen der customisierten PLM Lösung bei Auslieferung einer neuen PLM Basisversion.


Beispiel einer „Übercustomisierung“

Typisch für Anwendungen in großen Unternehmen sind über 100 fragmentierte TDM/PDM und Autorensysteme sowie Excel und andere „hidden DB´s bzw. Shadow IT“, teils historisch gewachsen teils auf der Basis von M&A. Harmonisierungsversuche scheitern am Widerstand der Anwender und an der Unkenntnis des Managements über Details der Anwendungslösung. Ein voll integrierter Engineering Backbone als Basis der Engineeringprozesse war anfangs eventuell die Vision, die Realität zeigt einen Schwerpunkt in der Phase der Entwicklung und Konstruktion und der Verwaltung von M-CAD Daten. Anforderungen, Systemarchitekturen, Simulationen, Elektronik und insbesondere Software sind i.d.R. nicht in die Produkt- und Prozessstruktur integriert
Ansätze wie „bimodale IT“ (Gartner, 2016[2]) oder „Digital PLM“ (Accenture, 2016) deuten in ähnlicher Weise wie SysLM[3] [8,9] die Notwendigkeit einer Evolution. Überträgt man diese Ansätze auf PLM ergeben sich folgende Anforderungen:

  • Von Dokument- zu Modell-basiert.
  • Abbildung von hierarchischen- (herkömmlichen Stücklisten der Hardware) bis hin zu Netzwerk- (Systemarchitekturen) und linearen Strukturen (Software).
  • Von monolithischen zu föderierten und leichtgewichtigen Systemen, die auf referenzierte bzw. verlinkte Daten aufbauen. Die dazu notwendigen IT-Technologien sind Repository-Technologien und die typischen WEB Standards REST, RDF, OSLC….
  • Bereitstellung der PLM Lösung auf unterschiedlichen Cloud-Leveln (IaaS, PaaS und SaaS[4])
  • Unterstützung der typischen Engineering Prozesse wie z.B. Engineering Change Management (ECM) und Configuration Management (CM) für Mechanik, Elektrik / Elektronik und Software sowie Ableitung von Digitalen Zwillingen bzw, Digital Twins für Einsätze im Prototypenbau, in Produktion und im operativen Betrieb (Ä Grundlage für Service-orientierte Geschäftsmodelle).
  • Agile Einführung und betriebliche Anpassung durch überwiegend interaktive Konfiguration anstatt durch prozedurales Customizing.
  • Automatischer Übernahme aller betrieblicher Anpassungen (Konfiguration und Customizing!) bei Upgrade des Basissystems.
  • Neue flexible Geschäftsmodelle auf Basis von Subscriptions anstatt Lizenzen.

Die drei letzten Punkte führen zu einem signifikanten Rückgang der Total Cost of Ownership (TCO) bei der Beschaffung und Implementierung eines PLM/SysLM Systems. Bimodale Systeme bieten durch ihre Agilität und Flexibilität die optimalen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung der
Engineering Prozesse.